Umstrittene Wahrheit by Küng Hans

Umstrittene Wahrheit by Küng Hans

Autor:Küng, Hans [Küng, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492966986
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-05-08T16:00:00+00:00


Statt der Wahrheits- oder Rechtsfrage eine Stilfrage?

Kardinal JULIUS DÖPFNER hatte nur meine Presseerklärung vom 7. Juli in Händen. Doch fühlte er sich (oder wurde er?) gedrängt, sofort mit einem anklagenden Brief und einer öffentlichen Pressemeldung zu antworten.12 Merkwürdig: Da läßt man die ganze Maschinerie des römischen Systems auf einen einzelnen Theologen los, um ihn in seinem katholischen Glauben vor der Weltöffentlichkeit zu diskreditieren. Und dafür soll er sich wohl noch artig bedanken …

Wenn sich dieser Theologe aber zur Wehr zu setzen wagt, dann stellt man sich nicht etwa offen der Wahrheitsfrage: »Ist es wahr, was er sagt?« Auch nicht der Rechtsfrage: »Ist es rechtens, wie man gegen ihn vorgeht?« Vielmehr macht man daraus eine Stilfrage: Über meinen »Ton und Stil« beklagt sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz in seinem Brief, geht jedoch mit keinem Wort auf die Wahrheits- oder Rechtsfrage ein. Eine für mich nicht neue Erfahrung. Denn immer wieder beklagen sich kirchliche Amtsträger, statt auf die Sachfrage einzugehen, über »Ton und Stil« ihrer Kritiker, während diese ihren oft hierarchisch-herzlosen Amtston und anmaßenden Amtsstil als quasi gottgegeben akzeptieren sollen.

Fürwahr, auch bei einer mehrmaligen Re-lecture meiner Presseerklärung kann ich mit dem besten Willen keinen einzigen Satz entdecken, der nicht sachlich und argumentativ, wenngleich auch deutlich und klar ist. Das sind die Hierarchen von ihren Theologen nicht gewöhnt. »Freimut« – eine neutestamentliche Tugend – kennen sie offensichtlich nicht. So heißt es in Döpfners Presseerklärung, ich hätte bezüglich der Glaubenskongregation »Aussagen getan«, die zum Teil »diffamierenden Charakter« hätten. Genannt wird natürlich keine. Nicht nur ich frage mich, was denn an der eben zitierten Presseerklärung »diffamierend«, »verleumderisch« gewesen sein könnte. Immerhin hatten »die bedeutendsten katholischen Theologen dieses Jahrhunderts – von Karl Adam bis zu Chenu, Congar, de Lubac, Teilhard, Karrer, Rahner, Schoonenberg und Schillebeeckx – alle ernsthafte Schwierigkeiten mit dieser Behörde«, die zugleich »als Anklägerin und Richterin auftritt«, und die »noch unter Pius XII.« mit »regelrechten Säuberungswellen mit Absetzungen, Verbannungen, Lehr- und Publikationsverboten« vorging. Soll es »diffamierend« sein, wenn man sich gegen solche weltweit diffamierenden Aktionen ein und derselben Inquisitionsbehörde zur Wehr setzt? Das ist wahrhaftig mehr als eine Stil-, das ist eine Rechts- und vor allem eine Sachfrage.

Natürlich weiß ich sehr wohl, welchen »Ton und Stil« man in Rom von Theologen, die unter kuriale Kritik geraten, erwartet: »Demut« und »Gehorsam«. Auch mein Mitbruder aus dem Germanikum Julius Döpfner hat so oft wie ich im Osservatore Romano die triumphierende Meldung lesen können über diesen oder jenen Autor, der (lange genug diffamiert und schikaniert) sich schließlich »demütig unterworfen hat«: »Humiliter se subiecit.« Ein Triumph für das Lehramt – selbst wenn der Gedemütigte später einmal durch die Geschichte recht bekommen sollte. Heutzutage sieht man von solchen diskriminierenden und diffamierenden Unterwerfungsformeln ab – man hat ja zumeist auch nicht mehr ohne weiteres alle Macht des Staates zur Durchsetzung auf seiner Seite. Aber in der Sache will man doch noch immer die öffentliche Kapitulation des »Abweichlers«! Darum geht es – mit milderen Formen und sanfteren Methoden – nach wie vor. Machtausübung statt Wahrheitsfindung! Immerhin, sagen die Apologeten dieses Systems, der »Stil« der Inquisitionsbehörde habe sich geändert.



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